„ZDF Magazin Royale“: Das Geschäft mit der Ausgrenzung: Böhmermann nimmt sich Behindertenwerkstätten vor

Von wegen Inklusion. Deutschland ist das Land der Ausgrenzung, so ZDF-Satiriker Jan Böhmermann. Er geißelt das deutsche System von Sonderschulen und Werkstätten, das Behinderte arm macht und Konzerne reich.

„Wir haben kein Herz für Kinder“, bellt Jan Böhmermann zu Beginn seiner Sendung. Nein, Kinder schaut sich der ZDF-Satiriker nicht an. In der letzten Sendung des Jahres blickt er auf diejenigen, die stets vorgeben, sich um andere zu kümmern. Zum Jahresende ist Böhmermann mal auf der ganz richtigen Seite. Als wackerer Streiter für die Rechte von Menschen mit Behinderung. Und da sieht es in der Tat düster aus, vor allem gemessen an den Forderungen von Grundgesetz und der entsprechenden UNO-Konvention. Betroffene berichten aus ihrem Alltag, wie sie hilflos an einer Ampel stehen, weil sie die Lichtzeichen nicht sehen können. Wie sie übergangen werden, weil sie auf den Rollstuhl angewiesen sind. Barrierefreie Wohnungen sind Mangelware, nicht barrierefreie Arztpraxen dagegen nicht.

Der Satiriker wettert gegen „Sonderschulen“, die eigens dafür gemacht sind, Menschen auszugrenzen – daran ändere auch das neue Naming „Förderschule“ nichts. Förderschulen fördern vor allem die staatlich organisierte Ausgrenzung von Menschen – denn sie führen in der Regel zu keinem Schulabschluss. Die nächste Station sei dann die „Werkstatt“. Ob betreut oder behütet, eines haben alle Werkstätten für Menschen mit Behinderung gemein. Wichtige Punkte des Arbeitsrechts gelten hier nicht, so der Mindestlohn. Der liegt bei etwa 2000 Euro im Monat – in der Behindertenwerkstatt schrumpft das auf 220 Euro zusammen.

Böhmermann gegen Porsche 

Für Böhmermann ist der Fall klar. Hier züchtet der Staat billige Arbeitskräfte für Produktionsstätten, „die Millionen Euro umsetzen und für fette Konzerne Aufträge erfüllen“. Und er zeigt so eine Sklavenfabrik: Hier wird für Porsche gearbeitet. „220 Euro im Monat – denn Porsche müssen ja günstig sein, damit man sich ihn auch als junger High Performer leisten kann“, trumpft Böhmermann auf. In den Einspielern tauchen erwartungsgemäß die üblichen Böhmermann-Buhmänner auf. Söder, Lindner, immer wieder gern die FDP und eben Porsche. „Aus den Augen, aus dem Sinn“, wettert Böhmermann. „Einmal Werkstatt, immer Werkstatt.“

Schließlich kommt er auf die Beschäftigungsquote zu sprechen. Ab einer bestimmten Größe muss ein Unternehmen in Deutschland eine bestimmte Quote an Menschen mit Behinderungen einstellen. So das Gesetz – nur macht es keiner. Hier ist Böhmermann ehrlich: Er auch nicht. Daher musste er über 13.000 Euro Ausgleichsabgabe zahlen. Aber er findet seinen Meister: Das Land Rheinland-Pfalz hätte sogar über 280.000 Euro zahlen müssen. Hätte – das Land hat aber Aufträge an Werkstätten vergeben. Und konnte sich so freikaufen. „Der Staat dribbelt sein eigenes System aus“, schnaubt der ZDF-Moderator.Jan Böhmermann ZDF Magazin Royale 22.37

Jetzt sind die Wahllokale an der Reihe. Die sollen bei der Bundestagswahl 2017 etwa zu 70 Prozent barrierefrei gewesen sein. Wobei niemand so genau wisse, wie das auszusehen habe. Der Bundeswahlleiter antwortete auf seine Anfrage, man denke, die Gemeinden würden auf Barrierefreiheit achten. „So gut es geht, jedenfalls.“ Böhmermann weiß natürlich besser, wie ein Wahllokal auszusehen hat: barrierefreie Parkplätze, ein taktiles Leitsystem für Menschen mit eingeschränktem Augenlicht, so breite Flure, dass zwei Rollstühle bequem aneinander vorbeikommen, rollstuhlgerechte Toilette und so weiter.

Satire ohne Satire  

Gut gemeint bekommt Satire meistens nicht – so wie in diesem Fall. Für einen Satiriker ist eine einseitige oder auch eine abseitige Herangehensweise an ein Thema vollkommen in Ordnung. Doch zur Satire gehören auch Witz und Humor. Davon ist in der Sendung nichts zu spüren. Sein Angang verträgt sich schlecht mit der Rolle als öffentlicher Ankläger. Wie sieht denn die Welt aus, die Böhmermann sich vorstellt? Allein alle Häuser mit Treppen sind nicht barrierefrei – also mit einem Fahrstuhl nachrüsten und wo das nicht geht, muss gesprengt werden? Die These, dass Auftraggeber wie Porsche „Millionen“ an den Aufträgen an Werkstätten mit Behinderung scheffeln, ist einfach abwegig. Bei Böhmermanns stammelnder Erregung über die schrecklichen Wahllokale muss man unwillkürlich überlegen, ob Böhmermanns Büro- und Produktionsräume so perfekt ausgestattet sind. Wenn ja: Respekt! Falls nein, was wahrscheinlich ist, ist das Chuzpe, Heuchler!