Der größte Tag des Jahres – mit dieser vollmundigen Ankündigung eröffnete Software-Chef Craig Federighi Apples Entwicklerkonferenz WWDC. Die Erwartungen waren hoch: Apple hatte in den letzten Monaten im KI-Bereich etwas den Anschluss verloren. Nun musste der Konzern liefern.
Zu Beginn der Apple WWDC wirkte es noch so, als ob der Konzern hinter den Erwartungen zurückbleiben würde. Obwohl KI das mit Abstand wichtigste Thema des Abends war, blieb man die erste Stunde seinem Prinzip treu – und vermied es tunlichst, die neuen KI-Funktionen als solche zu bezeichnen. Stattdessen betonte man lieber, wie smart die neuen Features sind.
Die Zurückhaltung sollte aber wohl vor allem Spannung erzeugen: Nachdem man die unzähligen neuen Features gezeigt hatte, kam ein zweiter Teil, der sich dann ausschließlich um KI drehte – und zwar mit einem ganz eigenen Ansatz. Unter dem Namen Apple Intelligence – eine Anspielung an die englischsprachige KI-Abkürzung „A.I.“ will der Konzern sich von der Konkurrenz absetzen.
Apple will KI und Datenschutz verbinden
Das versucht Apple vor allem durch einen Ansatz: Die KI-Offensive soll so persönlich sein wie noch nie, dabei aber die Daten schützen. Apple Intelligence profitiert von den unzähligen Daten, die iPhone und Mac über die Benutzer angesammelt haben. Und verarbeitet sie, um teils hochkomplexe Befehle ausführen zu können. Dabei legt Apple viel Wert darauf, dass die Daten geschützt werden: Der Großteil der Aufgaben soll direkt auf dem Gerät verarbeitet werden, nur bei komplizierten Berechnungen schaltet Apple Cloud-Rechner dazu. Selbst dann sollen die Daten aber geschützt werden: Nur die benötigten Daten werden hochgeladen, dort verarbeitet – und wieder gelöscht.
Doch wo genau findet sich die neue KI in Apples Betriebssystemen? Die einfachste Antwort wäre eigentlich eine Gegenfrage: Wo nicht? Denn Apple Intelligence ist tief in iOS 18, dem neuen iPadOS und MacOS Sequoia verankert. Von Zusammenfassungen für Benachrichtigungen, besseren Vorschlägen für automatische Antworten, einer smarteren Foto-App bis zur automatischen Generierung von Bildern und sogar Emojis im Chat: Quasi das gesamte System ist nun durchzogen von KI-Funktionen, die vom netten Spaß über mehr Bequemlichkeit bis zu völlig neuen Nutzungsmöglichkeiten reichen.
Eine der größten Änderungen ist dabei das neue Siri. Der bereits 2011 vorgestellte Sprachassistent war zuletzt stark zurückgefallen, nun soll er mit Wucht zurückkommen. Mit dem neuen KI-Unterbau ist Siri nun so smart wie nie, verspricht Apple. Dank des Zugriffs auf die Nutzerdaten und eine bessere Spracherkennung soll Siri nicht nur besser Befehle verstehen, sondern auch deutlich komplexere Anfragen beantworten können. Und: Die Assistentin kann nun deutlich tiefer in Apps und Funktionen zugreifen und eine erheblich größere Bandbreite an Befehlen umsetzen. Etwa, die schönsten Fotos des eigenen Hundes zu finden, zurechtzuschneiden und als Mail-Anhang zu verschicken. Wie gut das klappt, wird sich zeigen.
Dass Apple sich bei KI so zurückhielt, liegt sicher auch am großen Datenhunger, den die Ansätze der Konkurrenten mit sich brachten. Soll KI so persönlich sein, wie Apple es nun vorstellte, muss man dafür Unmengen an persönlichen Daten verarbeiten. Das widerspricht allerdings Apples Versprechen beim Datenschutz. Dass Apple Intelligence nun verspricht, die Daten besser zu schützen – und das sogar unabhängig prüfen lassen will – dürfte viele Bedenkenträger beruhigen.
Besitzer älterer iPhones könnten allerdings enttäuscht sein: Weil die benötigte Rechenleistung entsprechend potente Hardware erfordert, unterstützt Apple Intelligence die Berechnung ohne Cloud nur für das iPhone 15 Pro sowie alle iPads und Macs mit Apples M-Chips. Ein harscher Einschnitt.
Apple holt sich ChatGPT ins Boot
Weil der KI-Rundumschlag nicht komplett alleine zu wuppen ist, holt sich Apple zudem etwas Hilfe von außen – und verbaut ChatGPT direkt im System. Der bekannte Chatbot kann beispielsweise von Siri angesteuert werden, bei Bedarf antwortet die Apple-Sprachassistentin mit Infos von ChatGPT. Damit die Daten geschützt bleiben, fragt sie aber vorher jedes Mal um Erlaubnis.
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Auch in anderen Apple-Apps wie dem Word-Äquivalent Pages ist ChatGPT eingebaut. Ein Account ist dafür nicht nötig, Premium-Abonnenten können aber ihr Konto für mehr Funktionen einbinden. Leider gelten die Neuerungen zunächst nicht uneingeschränkt für alle: Zunächst kommen viele der Sprachfeatures nur für englischsprachige Nutzer, weitere Sprachen sollen erst im Laufe des nächsten Jahres folgen.
Wie erfolgreich Apples Offensive tatsächlich ist, wird sich zeigen müssen. Im Gegensatz zu den größten Konkurrenten verfolgt der iPhone-Konzern bei KI einen ganz eigenen Ansatz. Während Microsoft, Google oder auch OpenAI ihre KI-Projekte selbst als Produkt sehen, dient Apples KI vor allem dazu, die eigenen Produkte wie das iPhone oder den Mac aufzuwerten – und das Geld weiter mit dem Verkauf von Hardware zu verdienen. Nehmen die Kunden Apples Produkte als weniger smart wahr, schadet das also potenziell den Verkäufen.
Apple stand bislang oft der Datenschutz im Weg. Siri ist auch deswegen so lange schlechter gewesen, weil die KI dahinter weniger über die Nutzer wusste, als etwa Googles Assistant. Sollte Apple nun den Spagat zwischen Datenschutz und KI schaffen, könnte sich das allerdings schnell ändern.