Borderline-Persönlichkeitsstörung: Sabine, 20, verletzte sich selbst und entwickelte eine schwere Essstörung. Trotz Therapie fällt es ihr schwer, mit ihrer Diagnose zu leben.
„Ich hatte das Glück, ohne finanzielle Schwierigkeiten und in einem geordneten Elternhaus groß werden zu dürfen. Jedoch hatte ich bereits als Kind das Gefühl: Irgendwas stimmt mit dir nicht. Warum sieht das denn keiner? Ich war immer sehr empathisch und habe kleinste Schwingungen wahrnehmen können. Gab es irgendwo ein Problem, bezog ich das immer auf mich. Und dachte: Du bist schuld. Ich war voller Selbstzweifel und eher eine Einzelgängerin.
Borderline: „Die innere Einsamkeit war schwer auszuhalten“
Ich hatte wenig Freunde. Die innere Einsamkeit war für mich schwer auszuhalten. Mit dem Erwachsenwerden war ich überfordert.
Ich habe mir immer viel Druck gemacht und versucht, den mit exzessivem Sport irgendwie auszugleichen. Ich dachte: Du fühlst dich so schlecht, weil du zu dick bist. Mit 13 bekam ich eine massive Essstörung. Daraus entwickelte sich eine schwere Form der Magersucht, die immer wieder auch stationär behandelt werden musste.
„Ich hatte immer die Sehnsucht, wirklich gesehen zu werden“
Vielleicht sah ich die Anorexie als Ausweg, um die innere Leere nicht so spüren zu müssen. Oder es ging um Kontrolle. Gleichzeitig sah ich die Magersucht als Weg, mich schleichend umzubringen. Ich dachte immer: Wenn es passiert, dass ich sterbe, dann passiert es eben. Aber da war noch eine zweite Sehnsucht: Seht mich endlich! Seht, wie ich wirklich bin und wie ich mich wirklich fühle.
Ich habe weder sexuellen Missbrauch noch körperliche Gewalt erlebt. Darum fällt es mir verglichen mit anderen Betroffenen leichter, körperliche Nähe zuzulassen. Aber emotionale Nähe ist für mich schwer auszuhalten. Gleichzeitig wirkt Distanz auf mich erdrückend und extrem beängstigend. So entstehen die ständigen Wechsel von „Geh!“ und „Verlass mich nicht!“
„Die Härte gegen mich selbst ist nicht weniger geworden“
Vor zwei Jahren begann ich mich selbst zu verletzen. Erbrechen, Schneiden, Sport – das war mein Leben. Vor einem Jahr bekam ich in einer psychiatrischen Klinik die Diagnose Borderline-Störung. Es ist nicht leicht, damit zu leben. Oft habe ich das Gefühl, dass das Skills-Training der Therapie bei mir nicht so richtig funktioniert (Anm. d. Red.: Skills-Training, das Erlernen von Fertigkeiten („Skills“), die helfen können, besser mit Schwierigkeiten umzugehen). Ich bin weiterhin hochfunktional und sehr leistungsorientiert. Und noch immer denke ich: Meine Erkrankung entschuldigt nichts. Die Härte gegenüber mir selbst – sie ist nicht weniger geworden. Ich bin mir oft selbst mein größter Feind. Ich könnte vermutlich nie jemanden so sehr hassen, wie ich mich manchmal selbst hasse.“
Weitere Protokolle zur Borderline-Persönlichkeitsstörung finden Sie gebündelt auf einer Sonderseite.
Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter (0800) 1110111 und (0800) 1110222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail oder Chat ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.