Im Machtkampf in Südkorea hat der vom Parlament suspendierte Präsident Yoon Suk Yeol eine Befragung durch die Justiz verweigert. Yoon habe „sich geweigert“, einer Einbestellung zur Befragung zu dem von ihm kurzfristig ausgerufenen Kriegsrecht nachzukommen, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit. Das Verfassungsgericht begann derweil mit den Beratungen über die Amtsenthebung des 63-Jährigen. Zudem trat der Chef von Yoons Regierungspartei zurück.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kam Yoon einer ersten Vorladung nicht nach. Die Befragung hätte am Sonntagabend stattfinden sollen. Nach der „Verweigerung“ durch Yoon sei diesem am Montag eine neue Vorladung zugestellt worden, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Neben dieser Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft des Landes gibt es eine weitere durch ein gemeinsames Komitee von Polizei, Antikorruptionsbehörde und Verteidigungsministerium. Dieses soll die Umstände der umstrittenen Ausrufung des Kriegsrechts Anfang Dezember prüfen. Es bestellte den suspendierten Präsidenten nach Informationen der Nachrichtenagentur Yonhap für Mittwoch zu einer Befragung ein, diese Aufforderung sei aber umgehend von seinem Büro zurückgewiesen worden.
Sollte sich Yoon weiter den Befragungen verweigern, könnten die Ermittler einen gerichtlichen Haftbefehl beantragen. Gegen den suspendierten Präsidenten und sein Umfeld wird unter anderem wegen „Aufruhr“ ermittelt, bei einem Schuldspruch droht ihm theoretisch die Todesstrafe.
Der Präsident hatte am 3. Dezember kurzzeitig das Kriegsrecht ausgerufen. Er hatte angesichts eines Haushaltsstreits überraschend von dieser Maßnahme Gebrauch gemacht und damit das In- und Ausland aufgeschreckt. Das von der Opposition dominierte Parlament hatte jedoch in einer dramatischen Sitzung von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht, woraufhin Yoon das Kriegsrecht nach wenigen Stunden wieder aufhob.
Seitdem gab es in Südkorea Massenproteste gegen Yoon. Am Samstag dann stimmte das Parlament mit Hilfe von Stimmen aus Yoons PP-Partei für eine Amtsenthebung des Präsidenten. Damit ist Yoon nun offiziell von seinem Amt suspendiert, die Amtsgeschäfte des Präsidenten übernahm Ministerpräsident Han Duck Soo.
Nun ist laut südkoreanischer Verfassung das Verfassungsgericht am Zuge. Es begann nach eigenen Angaben am Montag mit den Beratungen über den Fall. Theoretisch hat das Gericht sechs Monate Zeit für eine Entscheidung. Oppositionsführer Lee Jae Myung rief das Gericht am Sonntag auf, die Absetzung „schnell“ zu bestätigen.
Derweil trat der Vorsitzende von Yoons regierender PP-Partei zurück. Auf einer Pressekonferenz in Seoul bat Han Dong Hoon am Montag alle Menschen um Entschuldigung, die unter der kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts „gelitten“ hätten.
Yoon hatte die Ausrufung des Kriegsrechts offiziell damit begründet, sein Land „vor der Bedrohung durch die kommunistischen Kräfte Nordkoreas“ schützen und „staatsfeindliche Elemente“ ausschalten zu wollen. Am Montag berichteten auch Nordkoreas Staatsmedien über das Amtsenthebungsverfahren im Nachbarland. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA schrieb, Yoon habe versucht, die Verantwortung für die „törichte Ausrufung des Kriegsrechts“ auf die südkoreanischen Oppositionsparteien abzuwälzen.
Die Beziehungen zwischen Süd- und Nordkorea befinden sich auf einem Tiefpunkt. Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ließ in diesem Jahr mehrfach Raketentests vornehmen. Zudem kündigte er die Entwicklung weiterer Waffen an, darunter auch taktische Atomwaffen. Als Reaktion darauf verstärkten Südkorea und die USA ihre Verteidigungszusammenarbeit.