Weihnachten mit Pauken und Trompeten: Haben Sie keine Lust mehr auf die immer gleichen Weihnachtshits? Unser Autor empfiehlt klassische Klänge für die Festtage.
Wie klingen schöne Weihnachten? Für mich nach Trompeten, nach Flöten und Chor. Aber auch nach Keyboards und E-Gitarre. Nach Posaune und der Stimme eines Schweden. Aber der Reihe nach.
Natürlich beginnt Weihnachten für mich mit fünf Paukenschlägen. Damm-damm-damm-damm-damm! Dann setzen Traversflöten und Oboen ein, die Pauke dengelt noch ein bisschen weiter, bis schließlich Streicher, Trompeten und der Chor einfallen: Das Strahlen und Leuchten, das nun den Raum erfüllt, wärmt immer wieder mein Herz. „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage…“
Weihnachten geht einfach nicht ohne Bach
Nein, sorry, auch diese Kolumne kommt nicht ohne Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium aus. Die Freude, die diese Musik in mir auslöst, lässt seit meiner Kindheit nicht nach. Was ich vom Weihnachtsalbum von Andrea Berg so eher nicht sagen würde. Das war ein brutaler Sprung. Zurück zu Bach. Zu seinen Lebzeiten wurde das Werk nicht am Stück, sondern Kantate für Kantate aufgeführt – ab dem ersten Weihnachtstag bis zu Epiphanias am 6. Januar. Niemals aber wie heute üblich vor allem in der Adventszeit, in der damals kirchenmusikalisch Stille zu herrschen hatte.
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Auch das Weihnachtsoratorium war gut 100 Jahre praktisch vergessen. Erst ab den 1850er Jahren wurde es wieder gespielt. Was macht mir heute immer wieder Gänsehaut? Dieser zutiefst berührende Choral „Wie soll ich dich empfangen?“ aus Teil 1 etwa. Oder diese so überaus friedliche „Sinfonia“ zu Beginn der zweiten Kantate. Oder die überirdisch sanfte Alt-Arie „Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh'“. Nicht zu vergessen der regelrecht swingende Tenor-Gassenhauer „Ich will nur dir zu Ehren leben“ aus Teil 4. Steht für mich alles für das Fest der Feste. Und wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer und immer und immer wieder eingespielt.
Wenn ich drei Aufnahmen (für Bach, nicht für Berg) empfehlen sollte, dann wären es wohl folgende: Zunächst die von John Eliot Gardiner, dem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists aus dem Jahr 1987. Gardiners historisch informierte Aufführungspraxis ist für mich zusammen mit seinen beschwingten Tempi, dem makellosen Chor und wunderbaren Solisten (Nancy Argenta, Anne Sofie von Otter, Anthony Rolfe Johnson, Olaf Bär) bis heute unübertroffen.
Eine sehr gute Alternative entstand 1991 mit der Einspielung von Ralf Otto, dem Concerto Köln und dem fabelhaften Tenor Christoph Prégardien.
Die originellste Einspielung stammt von dem Hamburger Ensemble Resonanz. Die Musiker haben Teile des Oratoriums als eine Art „Wohnzimmerkonzert“ im kleinen Kreis und mit ungewöhnlicher Instrumentierung aufgenommen. Das wirkt wie improvisiert und genau deshalb so ungeheuer charmant: Streicher spielen zusammen mit Vintage-Keyboards, einer E-Gitarre und genau einer Trompete. Die vier Solisten singen auch die Choräle und werden dabei von den Instrumentalisten unterstützt. Das klingt so mitreißend und so berührend, dass ich mit dieses ganz andere Weihnachtsoratorium seit Jahren im Dezember live in der Hamburger Laeiszhalle anhöre.
In der Adventszeit höre ich aber auch mehrere andere Weihnachtsalben in Dauerschleife: Camille Saint-Saëns (1835-1921) war erst 23 Jahre alt, als er 1858 in einem schnellen Geniestreich sein „Oratorio de Noël“ niederschrieb. Wer von Bach kommt, muss sich kurz an die tiefromantische Klangwelt dieses Werks gewöhnen. Aber dann erklingt in der schönen Aufnahme des Vocalensembles Rastatt unter Leitung von Holger Speck das „Benedictus qui venit“ mit Sopranistin Antonia Bourvé, und ich bin jedes Mal aufs Neue hin und weg. Von „Engelsgesang“ darf man natürlich nicht mal zu Weihnachten schreiben, denn das klingt schrecklich abgeschmackt. Also bitte nur denken.
Noch mehr Gesang? Das Album „Christmas At San Marco“ führt uns in das Venedig des 18. Jahrhundert, wo im Markusdom festliche Weihnachtsmusik, etwa eine lateinische Barockmesse von Baldassare Galuppi (1706-1785) mit – bitte wieder nur denken – engelsgleichen Chören erklingt. Auch diese Aufnahme ist schon ein paar Jahre auf dem Markt, aber die Leistung des Vocal Concert Dresden unter der Leitung von Peter Kopp bleibt zeitlos gut.
Was steht auf Nummer 1 meiner Weihnachts-Hitparade?
Oder lieber reine Instrumentalklänge? Dann empfehle ich zwei Alben mit Highend-Trompetenmusik: etwa das 2016 erschienene Weihnachtsalbum „Jubilo“ der englischen Trompeterin Alison Balsom, die Werke von Fasch, J.S. Bach, Torelli und Corelli spielt. Mindestens ebenso virtuos: der deutsche Trompeter und Musikprofessor Matthias Höfs, der mit seinem Ensemble auf dem Album „Festive Trumpets For Christmas“ Kompositionen von Albinoni, Händel, Scheidt und eigene Arrangements von weihnachtlichen Stücken spielt. Klingt nach Christmette, nach Kinderweihnacht, nach Frieden auf Erden. Sehnsuchtsmusik.
Apropos: Mein letzter Tipp führt zur liebsten Weihnachtsmusik meiner schon lange nicht mehr kleinen Kinder. Nein, es ist nicht Rolf Zuckowskis „Weihnachtsbäckerei“, Gott bewahre, und nein, es wieder nicht Andrea Berg: Die absolute Nummer 1 der familiären Weihnachts-Hitparade stammt von Nils Landgren. Von seiner Serie „Christmas With My Friends“ hat der schwedische Jazz-Posaunist und Sänger inzwischen acht Folgen veröffentlicht. Für mich ist das allererste Album, aufgenommen im Jahr 2005, noch immer das Beste: Ein Treffen unter Freunden, musikalisch zwischen leisem Jazz, Klassik und bekannten traditionellen Weihnachtsliedern. Das Album endet tatsächlich mit „Stille Nacht, heilige Nacht“. Und hier klingt es plötzlich gar nicht mehr abgegriffen und viel zu oft gehört, sondern geht mitten ins Herz. Ohne diese schwedische Andacht ist Weihnachten in unserer Familie schlicht nicht denkbar. In diesem Sinne: Frohes Fest!