Formate des Reality TV besprechen die YouTuberinnen Mirella, Silvi und Paula hauptberuflich– und entdecken dabei Liebe und Humor. Das waren ihre wichtigsten Lektionen 2024.
Mirella Precek: „Ich heulte und dachte an meine Mutter, die alleine lebt“
Mein Highlight aus dem Reality-TV-Kosmos kam jetzt zum Jahresende, und zwar in einer Folge des „Golden Bachelor“. In der Sendung sucht der 73-jährige Franz unter den Ü-60-Kandidatinnen nach der großen Liebe. Das Format ist perfekt für die Vorweihnachtszeit, es berührt mich total. Schon bei Folge eins habe ich mehrmals geheult. In einer anderen Folge sitzen Franz und die Kandidatinnen zusammen beim Frühstück. Man sieht ihnen an, dass sie sich auf den neuen Tag freuen. Sie genießen die morgendlichen Sonnenstrahlen und die gemeinsame Zeit.
Eine Kandidatin sagt: „Ach, es ist so schön mit euch beim Frühstück zu sitzen.“ Sie erzählt, dass sie sonst allein frühstücke. Obwohl sie ihr Singleleben schätze, gebe es Situationen, in denen sie gern nicht allein sei, etwa beim Essen.
Ich saß vor dem Fernseher, heulte und dachte an meine Mutter, die auch allein lebt. Sie kam Gott sei Dank am selben Abend zum Essen. Wir saßen alle schön zusammen. Wäre sie nicht vorbeigekommen, wäre ich wahrscheinlich zu ihr rübergerannt und hätte gerufen: „Mama, ist alles ok? Willst du heute Abend mit uns Fernsehen gucken oder wollen wir morgen zusammen frühstücken?“STERN PAID 1_24 IV Mirella Precek 12.13
Diese Frühstücksszene hat mir gezeigt, dass in unserer Gesellschaft ältere Leute oft vergessen oder nicht so wertgeschätzt werden, wie das in anderen Kulturen oder Ländern der Fall ist. Da nehmen ältere Menschen eher aktiv am Familienleben teil, oder es gibt mehr Mehrgenerationenhäuser, wo man sich gegenseitig unterstützt. In Deutschland werden ältere Leute gern weggeparkt oder alleingelassen.
Im Alltag vergisst man auch öfters mal, enge Familienmitglieder wertzuschätzen. Die Szene aus „Golden Bachelor“ hat mich daran erinnert. Für solche Momente bin ich Reality-TV dankbar: Sie spiegeln einem manchmal das wahre Leben und holen einen aus dem Trott raus, in dem man oft ist.
Den „Golden Bachelor“ finde ich super, weil er Sichtbarkeit schafft für die Gruppe der älteren Menschen, die sonst kaum in der Öffentlichkeit stattfindet. Es ist total interessant, sich damit zu beschäftigen, wie Dating im Alter funktioniert. Was für Herausforderungen gibt es, um welche Themen geht es? Krass zu sehen, was diese Frauen alles erlebt haben. So viele schwierige Momente! Viele sind mit dem Tod in Berührung gekommen, haben Schicksalsschläge erlebt. Alle haben Erkenntnisse aus ihren Erfahrungen gezogen. Trotzdem oder gerade deshalb sind sie starke Frauen, stehen im Leben, wissen genau, was sie wollen und blicken mit einer Zufriedenheit auf das Leben und in die Zukunft. Diese Lebensfreude und Lebenslust zu sehen, finde ich inspirierend und schön.
Der Golden Bachelor läuft auf RTL+
Silvi Carlsson: „Lea aus ‚Princess Charming‘ blieb sich selbst treu – vorbildlich!“
Heldin des Jahres war für mich Lea im Finale der Datingshow „Princess Charming“: Sie sollte sich für eine der beiden Finalistinnen entscheiden, wie das bei Datingshows so üblich ist. Stattdessen entschied sie sich für keine von beiden – sondern für sich. Das fand ich mutig und bewundernswert.
Lea hatte von Anfang an gesagt, dass sie eine feste Beziehung sucht. Die Staffel passte da leider so gar nicht zu ihren Sehnsüchten: Viele Kandidatinnen hatten ein anderes Beziehungskonzept als sie, waren etwa polyamor unterwegs. Zwar hatte Lea eine enge Bindung zu ihrer Ex-Liebschaft, die zufällig auch Teil der Show war, dennoch entschied sie sich im Finale auch gegen sie.
Es war ein gelungener Abschluss für diese sehr intensive Staffel. Die ist vor allem in der queerfeministischen Community diskutiert worden. Kurz habe ich überlegt, die erste bisexuelle Bachelorette Stella als Highlight zu nennen. Normalerweise sind „Bachelor“ und „Bachelorette“ Formate, in denen heterosexuell gedatet wird. Dieses Jahr hat Stella sowohl Männer als auch Frauen kennengelernt. Sie hat einen sehr guten Job gemacht. Die Männer, die sich auf einen Platz im Format beworben hatten, wussten nicht, dass auch Frauen um Stella kämpfen. Es war krass zu sehen, wie diese Männer auf ihre weibliche „Konkurrenz“ reagiert haben. Da war „Princess Charming“ trotz aller Intensität weniger dramatisch.
Mich hat an Leas Entscheidung so berührt, dass sie die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllt hat. Wir sind ja alle ganz doll darauf konditioniert, dass die romantische Liebe das Größte sei. Beziehung als höchstes Lebensziel. Deshalb schauen sich viele gern Datingshows an. Wir kennen aus romantischen Komödien das Narrativ: Ach, ein bisschen Drama braucht es. Wenn es etwas toxisch ist, ist es auch spicy.
Lea aber hat sich anders entschieden. Sie ist sich selbst treu geblieben. Wir kennen das von uns selbst oder unserem privaten Umfeld, dass ein Verlangen nach einer Beziehung so stark ist, dass man seine Werte über den Haufen wirft. Lea aber bleibt lieber allein. Sie hat für mich den unangenehmen Part übernommen. Statt gefällig zu sein, hat sie sich für sich selbst entschieden. Vorbildlich!
Princess Charming ist auf RTL+ abrufbar
La Polcevita: „Es war schön zu sehen, wie sich ein Mensch weiterentwickelt“
Mein Trash-TV-Highlight war eindeutig die Ankunft von Maurice Dziwak bei „Kampf der Realitystars“ (KDRS). In dem Format müssen die Teilnehmer mehrere Wochen zusammen auf Phuket verbringen und gegeneinander in Wettbewerben antreten. In der ersten Folge geht es hauptsächlich um die Ankunft der Teilnehmer auf der Insel.
Maurice Dziwak ist durch Datingshows wie „Love Island“ bekannt geworden, haut Sprüche raus, da legst du dich nieder. Niedergelegt hat er sich auch bei seiner Ankunft auf der Insel: Das Bötchen, mit dem er angetuckert kam, wurde von einer großen Welle erfasst und ist gekentert. Maurice ist nach hinten gekippt, auf einmal waren nur noch seine Beine zu sehen. Die Bootsleute sind vorn abgesprungen, während Maurice mehrmals erfolglos versucht hat, sich wieder aufzurichten. Es war ein regelrechter Kampf mit dem Wasser, der minutenlang anhielt. Jedes Mal wurde er von einer Welle getroffen. Das war Slapstick pur. Ich muss immer noch krass lachen, wenn ich daran denke.
Was mich überrascht hat: Wie locker er danach war. Für ihn stand im Vordergrund, dass es den Bootsleuten gut ging. In vorherigen Formaten war Maurice eher humorlos und konnte nicht über sich lachen. Er hat eine Entwicklung hingelegt, das finde ich gut. Das bleibt bei vielen Reality-TV-Stars leider aus. Die meisten haben kein Interesse daran, sich weiterzuentwickeln. Früher hat man gedacht, die Teilnehmer holen sich nach einem Shitstorm PR-Hilfe, um ihr Image zu verbessern. Stattdessen läuft es so: Durch beschissenes Verhalten zu polarisieren hat noch nie so viel Reichweite gebracht wie heute. Deshalb ziehen viele mit Absicht noch mehr Hate auf sich.
Reality TV: Zuschauer können nicht mehr unterscheiden
Dass er sich weiterentwickelt hat, ist das eine, aber was mir so gefällt, ist die Unvorhersehbarkeit des Moments. So was kannst du nicht planen. Er hat den legendären Auftritt bekommen, den er verdient. Keinen roten Teppich, sondern ein kenterndes Boot. „Karma trifft jeden“, wäre das passende Meme von meinem Kanal, denn in seiner letzten Show „Sommerhaus der Stars“ hat er sich nicht gut benommen. Heutzutage können wir Zuschauer bei Trash-TV-Formaten gar nicht mehr unterscheiden, was echt ist und was gestellt. Dieser Moment hingegen war durch und durch echt.
Kampf der Realitystars ist auf RTL+ abrufbar
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