In einem Medienspektakel stellt sich Kremlchef Wladimir Putin den Fragen handverlesener Journalisten und Bürger. Die Show nutzt er zur Selbstdarstellung – und für alte Drohungen.
Bei der traditionellen Jahrespressekonferenz bekräftigte Wladimir Putin seine Bereitschaft zu Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Krieges. Dabei sei er auch zu Eingeständnissen bereit. Details zu möglichen Kompromissen nannte er nicht, warf der Ukraine aber einmal mehr vor, Verhandlungen zu blockieren.
Daneben zeigte sich der Kremlchef optimistisch, dass Moskau die Kontrolle der teilweise von ukrainischen Streitkräften besetzten Grenzregion Kursk wiedererlangen werde. „Wir werden sie unbedingt rausschmeißen“, sagte Putin. Bis wann dies geschehen werde, könne er allerdings „im Moment leider nicht beantworten“.STERN PAID 42_24 Applebaum IV 13.31
Die Ukraine hatte im August in der russischen Grenzregion Kursk eine überraschende Militäroffensive gestartet und rund tausend Quadratmeter Land besetzt. Die Offensive war jedoch bald ins Stocken geraten und Russland konnte mittlerweile große Teile seines Gebietes wieder zurückerobern.
Putin fordert Westen zu Raketenduell heraus
Daneben nutzte Putin die Pressekonferenz, für eine Drohung Richtung Westen. Gegen die neu entwickelte Mittelstreckenrakete Oreschnik hätten westliche Flugabwehrsysteme keien Chance. „Es gibt keine Chance, diese Raketen abzuschießen“, sagte der Kremlchef. Wenn der Westen an der Leistungsfähigkeit der Rakete zweifle, könne er gern ein von allen verfügbaren Flugabwehrwaffen geschütztes Ziel in Kiew benennen, das von Oreschnik beschossen werden solle.
Putin sprach von einem „Experiment, einem hochtechnologischen Duell des 21. Jahrhunderts“. Der Westen könne dort alle Flugabwehrwaffen und Raketenschirme stationieren, die er habe. Dann werde sich herausstellen, ob sie die Mittelstreckenrakete aufhalten könnten. Russland sei zu so einem Experiment bereit. Putin reagierte damit auf die Frage des russischen Armeesenders Swesda, der eine angebliche Einschätzung westlicher Experten dazu zitiert hatte, dass Oreschnik im Anfangsstadium leicht zu bekämpfen sei.
Russland hatte im November erstmals eine solche prinzipiell atomar bestückbare Rakete auf die Ukraine abgefeuert. Damals war die Industriestadt Dnipro getroffen worden. Der Schaden war allerdings gering. Das Geschoss trug keine nuklearen Sprengköpfe.
Putin bekräftigte, dass Russland im Notfall auch zum Einsatz von Atomwaffen bereit sei. Die neue Doktrin erlaube es, auch einen Angriff nichtnuklearer Länder, die von Atommächten unterstützt würden, mit einem Atomschlag zu beantworten, wenn die Souveränität Russlands bedroht sei. Die nuklearen Sicherheitsgarantien beträfen auch das benachbarte Belarus.
Wladimir Putin als Kümmerer im Staatsfernsehen
Russlands Präsident Wladimir Putin hält am Donnerstag wie im Vorjahr seine große Jahrespressekonferenz ab. Die Fragerunde für Journalisten wird als Medienspektakel des Staatsfernsehens mit der TV-Show „Der direkte Draht“, bei dem Bürger ihre Probleme schildern können, zur Sendung „Ergebnisse des Jahres“ verknüpft. Die Fragerunde begann um 12 Uhr Ortszeit (10 Uhr MEZ). Der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge gingen zuvor mehr als eine Million Fragen an das Staatsoberhaupt ein – im Vorjahr waren es aber sogar anderthalb Millionen.
Die vielen Probleme des Landes wie Armut, soziale Not, Klagen über die Gesundheitsversorgung und fehlende Infrastruktur sind immer wieder Themen solcher Fragerunden. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine beherrscht auch der Krieg die Tagesordnung. Putin nutzt das Format immer wieder, um sich als Kümmerer und Problemlöser darzustellen.
Die russischen Sender, die praktisch alle die Fragestunde übertragen, haben rund drei Stunden dafür eingeplant. Allerdings gab es in der Vergangenheit auch schon deutlich längere Veranstaltungen.