Verlorene Vertrauensfrage: Bundespräsident entscheidet erst nach Weihnachten über Neuwahlen

Olaf Scholz will Neuwahlen – die nötige Vertrauensfrage hat er bereits verloren, nun muss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entscheiden. Der aber will auf Nummer sicher gehen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird am 27. Dezember verkünden, ob er nach der verlorenen Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Bundestag auflöst und eine Neuwahl ansetzt. Das teilte er in Berlin mit. Vorgesehen als Neuwahltermin ist von den Parteien bislang der 23. Februar. Der Bundestag kann sich aber nicht selbst auflösen. Die Entscheidung hierüber liegt nach Artikel 68 des Grundgesetzes beim Bundespräsidenten.

Scholz hatte am vergangenen Montag im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt und die Abstimmung hierüber – wie gewünscht – verloren. Daraufhin schlug er dem Bundespräsidenten vor, den Bundestag aufzulösen und damit eine Neuwahl zu ermöglichen. Laut Grundgesetz kann der Bundespräsident dies innerhalb von 21 Tagen tun. Dazu verpflichtet ist er nicht. 

Land braucht „handlungsfähige Regierung“

Steinmeier hatte bereits unmittelbar nach dem Bruch der Ampel-Koalition zu erkennen gegeben, dass er gewillt ist, das Parlament aufzulösen. Er erklärte, das Grundgesetz knüpfe diese Entscheidung an Voraussetzungen. „Aber unser Land braucht stabile Mehrheiten und eine handlungsfähige Regierung. Das wird mein Prüfungsmaßstab sein“, sagte Steinmeier damals.

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Von einer stabilen Mehrheit kann nach dem Ausscheiden der FDP aus der Bundesregierung keine Rede mehr sein. Scholz steht jetzt an der Spitze einer rot-grünen Minderheitsregierung.

Auch den Termin 23. Februar, auf den sich die Fraktionsspitzen von SPD und Union geeinigt haben, dürfte Steinmeier bestätigen. Er hat diesen bereits als „realistisch“ bezeichnet. 

Steinmeier sprach mit Vorsitzenden von Fraktionen und Gruppen über Neuwahlen

In den vergangenen Tagen führte Steinmeier Gespräche mit den Vorsitzenden aller Fraktionen und Gruppen im Bundestag – „um mich zu vergewissern, dass es keine Aussichten auf eine stabile parlamentarische Mehrheit für eine Bundesregierung mehr gibt“, wie es in seiner Mitteilung vom Freitag hieß.

Ein Hintergedanke dürfte dabei gewesen sein, die Entscheidung bei einer möglichen Anfechtung vor dem Bundesverfassungsgericht rechtssicher zu machen. Karlsruhe hatte sich schon 1983 und 2005 mit der damaligen Auflösung des Bundestages befassen müssen, nachdem Abgeordnete geklagt hatten. 

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Im Urteil von 1983 hieß es, der Kanzler solle das Verfahren nach Artikel 68 Grundgesetz nur anstrengen dürfen, wenn es politisch für ihn nicht mehr gewährleistet sei, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiterzuregieren. „Die politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag müssen seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, dass er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen vermag.“ 

Dies trifft die aktuelle Situation. Bislang ist nicht absehbar, dass Abgeordnete den Gang nach Karlsruhe antreten wollen.