Auf Instagram und Co. tummeln sich nicht nur junge Leute: Günther Krabbenhöft (79) und andere „Granfluencer“ begeistern Millionen. Ein Arzt sagt, was man von ihnen auch fürs Leben offline lernen kann.
Günther Krabbenhöft ist der Inbegriff der Phrase: „Man ist nur so alt, wie man sich fühlt.“ Im eleganten Outfit inklusive Panama-Hut und feiner Weste tanzt er in seinen Videos zu Technomusik neben wesentlich jüngeren Leuten auf Partys.
Stolz verkündet der 79-Jährige im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur, dass er über 300.000 Follower auf Instagram hat. Eins ist dem Kreuzberger Original dabei wichtig: Er tanzt für sich, er kleidet sich für sich, und Trends sind ihm egal. Trotzdem geht er manchmal zu Shows der Fashion-Week, die am 1. Juli wieder in Berlin startet.
Instagram und Tiktok nicht nur was für Generation Z
Dass die „jungen“ sozialen Medien wie Instagram und Tiktok nur von jungen Leuten mit Selbstdarstellung, Tanz- oder Kochvideos bespielt werden, ist glatt gelogen. Dort tummeln sich nämlich auch die „Granfluencer“ – eine Wortneuschöpfung aus „grandparents“ (Großeltern) und „Influencer“ – in Massen und begeistern Menschen jeden Alters mit Comedy-Inhalten, Sportvideos oder Mode.
Die 84-jährige Erika Rischko aus dem Rheinland etwa zeigt, wie sie im Alter fit bleibt (124.000 Follower), Helen van Winkle zeigt sich ihren 3,1 Millionen Followern gerne leicht bekleidet und schreibt selbstbewusst in ihrer Beschreibung: „Stealing yo man since 1928“ („Ich schnappe mir eure Männer seit 1928“) und Gangster Granny aus den USA macht gemeinsam mit ihrem Enkel Ross Action-Comedy für mindestens 3,1 Millionen Fans. Und das sind nur einige Beispiele.
Krabbenhöft macht einfach das, wonach ihm ist
Unter Krabbenhöfts Beiträgen goutieren die Menschen seine Lebensweise: „Schön, diese Lebensfreude zu sehen“ oder „Du bist ein großes Vorbild für Jung und Alt“. „Ich bin kein Großvater, der zu Hause sitzt und wartet, dass er besucht wird. Ich habe mein Leben wieder aktiv und selbstbestimmt in die Hand genommen und tue das, was mich glücklich macht“, sagte der 79-jährige Opa zweier Enkel im Gespräch weiter.
Er zieht Blicke von Passanten auf sich, beim Interview verschwindet er kurz in einem Friseursalon, um die Leute darin zu grüßen. Der ehemalige Koch sticht in Berlin-Kreuzberg mit seiner Fliege und dem farblich abgestimmten Einstecktuch in Blau hervor – für ihn ist das Ausdruck seiner Persönlichkeit. „Vielleicht sollte man mal wieder mehr Stil und Eleganz in die Mode bringen“, meint er. Wie viele junge Leute sich heutzutage kleideten, dafür habe er nicht viel übrig.
Sneaker-Opa aus Mainz
Influencer Alojz Abram aus Mainz hat einen anderen Zugang. Er wird auf Instagram ganz cool „Gramps“ genannt, und das passt auch zu dem Streetstyle, den er verkörpert. Selbstdarstellungsvideos, in denen er weite Hoodies und Jeans, dazu farbenfrohe Sneaker – zwischendurch auch mal eine Jogginghose in Leopardenprint – trägt, haben dem 78-Jährigen 2,5 Millionen Follower auf Instagram eingebracht. „Meine Frau überprüft immer, dass die Farben meiner Kleidung stimmig sind“, sagt er im Interview. Manchmal erscheint sie auch in seinen Videos – etwa wenn sie zeigen, was sie als Paar zu einem Date am Valentinstag tragen.
Der ehemalige Glaser hatte früher bei der Arbeit immer einen Blaumann an. „Sonntags waren wir aber immer schön angezogen, ein Mal die Woche war mir das wichtig. Wir waren verrückt nach Mode in Slowenien. Und heute kann ich mir ein Leben ohne meine Sneaker kaum vorstellen.“ Früher dachte Abram, dass er im Alter ein ruhiges Leben führen werde. Das kam aber anders, nachdem sein Enkel Jannik ihn in Streetwear gesteckt, fotografiert und online gestellt hatte. „Wir haben uns damals, als wir damit angefangen haben, nichts dabei gedacht. Jetzt aber zeigen wir, dass das Leben im Alter nicht vorbei ist, wir zeichnen das Alter weicher und vielleicht auch als weniger wichtig. Und diese Message geht an Jung und Alt“, sagt der 27-Jährige.
Experte fürs Altern sagt: Ein Beispiel an Influencern nehmen
Nicht jeder will im Alter einen Nebenjob als Influencer haben. Aber jeder kann von ihnen lernen, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie, Markus Gosch. „Man muss sich im Alter die Offenheit für neue Prozesse bewahren. Für ältere Menschen sind die sozialen Medien oft zu hektisch. Auch wenn diese Welt sehr schnelllebig ist, sollte man sich im Alter die Flexibilität bewahren.“ Je älter man werde, desto aktiver müsse man sich Lernprozessen stellen.
Übrigens könnten sich seiner Meinung nach auch junge Leute ein Vorbild an Influencern wie Krabbenhöft oder Abram und den anderen nehmen. „Am besten sollte man schon früh lernen, neuen Techniken gegenüber aufgeschlossen zu bleiben und nicht in eine Passivität zu rutschen.“
Gosch hat einen kleinen Spickzettel: Folgende „L“ müsse man sich merken. „Laufen, lebenslanges Lernen, Liebe. Das ist eine Grundformel, die im Alter aktiv hält.“ Krabbenhöft, Abram und Co. scheinen das verinnerlicht zu haben – und zeigen damit, dass die eigene Lebensweise eine Entscheidung ist.